Maja Haderlap
barje
einen tag hat der wind ausgesetzt,
hat sich der fels nicht bewegt, kam
starker regen von süden her, erklomm
eine natter mit feuerkrone den berg.
dann durchbrach ein einbaum die
zellwand der zeit, pfählte sie und
verschwand. kaum sichtbar ist heute
die narbe, die blieb. aus dem schlamm
geborgen ein floß, das jahrtausende
reiste, bevor es vor unsere augen trieb.
jetzt erst stürzt ein bussard ins moor.
aus: langer transit. Gedichte. Göttingen: Wallstein, 2014.
Buchveröffentlichungen, zuletzt:
Engel des Vergessens. Roman. (2011)
Maja Haderlap | Geboren 1961 in Bad Eisenkappel (Österreich). Als sogenannte Kärntner Slowenin gehört sie der slowenischsprachigen Volksgruppe im österreichischen Bundesland Kärnten an. Studium der Theaterwissenschaften und der Deutschen Philologie an der Universität Wien. Heute lebt sie in Klagenfurt, wo sie mehrere Jahre Chefdramaturgin am Stadttheater war und nun als Schriftstellerin tätig ist. Sie schreibt sowohl in slowenischer als auch in deutscher Sprache. Ingeborg-Bachmann-Preis 2011. Rauriser Literaturpreis 2012.
Haderlap schreibt erzählende Gedichte; Lyrik meint in ihrem Falle nicht Schreiben in gebundener Sprache, in Vers- und Strophenformen, oder eine besondere Rhythmisierung des Sprechens, sondern bildhafte Verdichtung, assoziative Verknüpfung beschreibender, beschwörender, diskursiver Passagen von einem Wort zum anderen.
Karl-Markus Gauß
