Brigitte Kronauer

 

Brigitte Kronauer über Balladen

Die Balladen liest der Schauspieler Gerhard Mohr vom Theater Münster.

Bei einer Sammlung von […] Balladen aus dem deutschen Sprachraum kann es nur um eine äußerst beschränkte und sehr subjektive, von Vorlieben geprägte Auswahl gehen. […] Während der Zusammenstellung überraschte mich, obschon ich zunächst eher auf der Suche nach Unbekannterem war, daß mir viele der populärsten klassischen Balladen einen Strich durch die Rechnung machten: Sie sind eben doch auch die künstlerischen Höhepunkte ihrer Gattung! Das hatte ich nicht erwartet und mußte ihnen gegen meine ursprüngliche Absicht, aber mit frischer Überzeugung, mehr Raum als zunächst geplant zugestehen. Wem Balladen gefallen, der interessiert sich für Handlung und Strategie in kompakter, rhythmisierter Form. Laut oder leise, mit Pathos oder Ironie wird Schicksalhaftes suggeriert. Es kam mir weniger darauf an, eine bis heute andauernde und beschworene Vitalität der Ballade zu beweisen, als die im Laufe der Jahrhunderte und Jahrzehnte unumgänglichen Veränderungen anzudeuten. Daher die chronologische Reihenfolge. Andererseits reizte mich besonders, Verwandtschaften nachzuspüren, auch über beträchtliche zeitliche Distanzen hinweg.
 

aus: Die Augen sanft und wilde. Balladen.
Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Kronauer. Stuttgart: Reclam, 2014.

Buchveröffentlichungen, zuletzt (Auswahl):
Gewäsch und Gewimmel. Roman. (2013)


Brigitte Kronauer | Geboren 1940 in Essen. Studium der Germanistik und Pädagogik. Mit dem Schreiben begann sie schon als Kind. Nachdem sie einige Jahre als Lehrerin in Aachen und Göttingen tätig war, lebt sie heute als freie Schriftstellerin in Hamburg. Georg-Büchner-Preis 2005. 

 

Georg-Büchner-Preisträgerin Brigitte Kronauer, die zuletzt den Roman »Gewäsch und Gewimmel« vorlegte, befragte auch sich selbst, die auswendiglernende Schülerin, die sie einmal war, das Kind aus einem auf Geschichten versessenen Haus. Denn Balladen sind Gedichte, die Geschichten erzählen, und zwar dramatische Geschichten, die nach dem Höchsten greifen: dem Schicksal, den Helden und dem Lied.

Literaturhaus Hamburg