Olga Martynova

 

TSCHWIRKA IN EINEM MUSEUM
 

Bäume wie auf dem Bild »Die Saatkrähen sind da«,
nur ohne die Krähen.
Seltsam, ohne sie
ist die Luft zwar still,
sieht aber nicht so erschöpft aus,
spielt mit des Laubs nassen Zöpfen.

Die Bäume: jeweils »für sich« und »für sich«, wie Tschwirka und Tschwirik.
Und wenn die Krähen gekommen sind –
fressen sie alle Luft,
trinken dem Tag die Distanz weg,
vereinen die einzeln fliegenden Zweige mit sich.
Gepaart! Gepaart! Gepaart!
knarren sie, wie auf dem Bild »Die Krähen sind da«.

Der Schnee, die künftigen Saatkrähenfüße in ihm –
seine Dreizahn-Runzeln.

Die Krähen sind da.
 

aus: Von Tschwirik und Tschwirka. Gedichte.
Aus dem Russischen von Elke Erb und Olga Martynova. Graz - Wien: Literaturverlag Droschl (2012)

Buchveröffentlichungen, zuletzt:
Ich werde sagen: „Hi!“. Roman. Ingeborg-Bachmann-Preis 2012
Sogar Papageien überleben uns. Roman (2010)
In der Zugluft Europas. Gedichte.
Übers. aus dem Russischen von Elke Erb u.a. (2009)


Olga Martynova | Geboren 1962 bei Krasnojarsk/Sibirien. Seit 1991 in Deutschland, lebt in Frankfurt/Main. Lyrikerin, Essayistin, Erzählerin, Übersetzerin. Trägerin des Ingeborg-Bachmann-Preises 2012.

Es wispert, flüstert, scherzt, erörtert und schwatzt in ihren Versen (…). Martynova redet so mit Rilke, Dickinson, Goethe, Novalis, Properz oder Dante, vor allem aber mit den zur Stalinzeit totgeschwiegenen, dann zumeist ermordeten Schriftstellern, welche versteckt und in Armut die russische Moderne des 20. Jahrhunderts fortführten.

Beatrice von Matt